Luana Sarno








 

Der Rest meines Lebens in diesem Gefängnis

Ich erwache an einem Frühlingsmorgen und fühle mich wie eine Fünfzehnjährige.
Zieh mich an und merke, dass es schwer ist, Hosen anzuziehen
und darum lasse ich es lieber sein und ziehe mir ein langes Kleid über.
Ich schaue meine Hände an,  sie sind nicht mehr so sanft und weich wie ein Baby-Po,
sondern haben Falten und sind verrunzelt.
Dann gehe ich ins Bad, schaue in den Spiegel und sehe,
dass mir gegenüber eine fremde Person steht, die aber die gleichen Augen hat wie ich.
Und merke, dass ich es ja bin.

Das Alter, das ist etwas Schreckliches.
Auf einmal klopft es an der Tür. Ich brauche
länger als früher um sie aufzumachen.
Nach fünfmal Klopfen bin ich endlich angekommen,
mache die Tür auf und sehe meine Tochter mit ihrem Mann
und meinen Sohn mit seiner Verlobten. Was wollen sie denn von mir?
Sie brüllen mir in die Ohren, obwohl ich gut hören kann, was sie zu mir sagen.
Dann plaudern sie noch mit- und durcheinander und werden immer lauter.
Doch das Geschnurr hört plötzlich auf und ich höre irgendetwas mit „Mama ins Altersheim“.
Was wollen sie mit mir machen?? Nein, ich will nicht ins Altersheim,
ich kann schon auf mich aufpassen! Doch sie hören mir nicht zu.
Die Verlobten meines Sohnes und meine Tochter gehen meine Sachen packen.
Mein Gott, was wollen sie mit mir machen!!?

Wir gehen aus der Tür, gehen bis zum Auto und steigen ein.
Sie fahren mich bis zu einem hohen, grauen Haus und bringen mich in ein Zimmer und sagen:
„Mutter, das ist dein neues Zuhause, hier sind andere in deinem Alter und KrankenpflegerInnen,
die dir helfen. Wir kommen dich jedes Wochenende einmal besuchen.“
Und gehen.
Sie haben mich verlassen und enttäuscht, sie haben mein schwaches Gehirn benutzt
und stecken mich in ein Altersheim, nur weil sie mir nichts zutrauen.

Es ist Abend, eine nette Pflegerin kommt zu mir ins Zimmer und sagt mir
„Gute Nacht“
und hilft mir beim zu Bett gehen.

Ich weiss jetzt, dass ich bis zu meinem Lebensende in diesem „Gefängnis“ leben muss.

Ende